
In Deutschland läuft derzeit die Karnevalssaison auf Hochtouren, besonders in den Hochburgen Köln, Mainz und Düsseldorf, während es in Hamburg eher ruhig zugeht. Manche Karnevalsbegeisterte in der Hansestadt versuchen, ihre Sehnsucht nach dem Brauchtum auf unkonventionelle Weise zu stillen. Dabei spielen Verkleidungen im Unterricht, Besuche von Karnevalspartys im Rathauskeller und die Teilnahme am Karnevalsgottesdienst in der Christianskirche eine zentrale Rolle.
Ein Lehrer der Stadtteilschule Stellingen berichtet von seiner Erfahrung an Weiberfastnacht, bei der er als Einziger verkleidet im Unterricht erschien. Er schmückte sein Klassenzimmer mit Luftschlangen und hielt den Deutschunterricht auf Kölsch. Währenddessen stellten die Schüler viele Fragen zu den Karnevalsbräuchen, und Kollegen zeigten ihm Fotos von verkleideten Kitakindern zur Aufmunterung. Zudem trösten sich einige Hamburger mit dem Faslam in Winsen oder verfolgen den Rosenmontagszug im Fernsehen. Der größte Karnevalszug in Hamburg findet im Miniatur Wunderland statt, jedoch stammt dieser aus Rio.
Kulturelle Wurzeln des Karnevals
Die Bräuche des Karnevals, auch Fasching genannt, haben sowohl heidnische als auch christliche Wurzeln. Ursprünglich fanden im antiken Rom Feste wie die Saturnalien und germanische Winteraustreibungen statt. Mit der Christianisierung Europas passten sich viele dieser Bräuche dem Kirchenjahr an. Fasching entwickelte sich zur letzten Feier vor der 40-tägigen Fastenzeit bis Ostern. Im Mittelalter gewann der Karneval in Städten wie Köln und Mainz an Bedeutung und umfasste verschiedene Maskenumzüge sowie humorvolle Kritik an der Obrigkeit.
In der Frühen Neuzeit wurde die Fastnacht zu einem elitären Vergnügen mit Maskenbällen, wobei volkstümliche Elemente wie der Narrenspiegel erhalten blieben. Der Karneval erlebte im 19. Jahrhundert eine Wiedergeburt durch organisierte Karnevalskomitees und neue Rituale wie die Inthronisierung des Karnevalsprinzen. Während der Kriege im 20. Jahrhundert fiel der Fasching oftmals aus oder wurde eingeschränkt. In der Nachkriegszeit avancierte er jedoch zum Symbol für Lebensfreude und Neuanfang. Heute ist die Fastnacht ein hybrides Phänomen, das fest im kulturellen Kalender etabliert ist und immer mehr internationale Einflüsse, etwa aus dem brasilianischen Karneval oder dem Mardi Gras der USA, integriert.
Die Zunahme der Kommerzialisierung hat ebenfalls dazu geführt, dass alternative Karnevalsformen entstehen, die sich klar von Klischees abgrenzen. Dabei bleibt der Karneval auch als politischer Straßenkarneval in vielen Regionen bedeutend, während in anderen die Bräuche an Wichtigkeit verlieren oder in neuen Formen wiederbelebt werden, wie die aktuellen Aktivitäten in Hamburg zeigen.