Am 8. Dezember 2024 wurde Baschar al-Assad überraschend vom Al-Qaida-Ableger Hai’at Tahrir asch-Scham (HTS) gestürzt, was weltweit für Aufsehen sorgte. Für viele Syrer markiert dieser Sturz das Ende einer jahrzehntelangen Diktatur. Gewan Cheikhi, ein 24-jähriger Flüchtling aus Syrien, der 2017 nach Winsen floh, verfolgt die Entwicklungen in seiner Heimat mit gemischten Gefühlen.
Cheikhi, der die Zentralfiliale der Soetebier Bäckerei in Scharmbeck leitet und von allen „Jo“ genannt wird, beschreibt den Sturz als historischen Moment, bleibt jedoch vorsichtig und erkennt sowohl die Chancen als auch die Risiken, die mit dieser politischen Wende einhergehen. Am Sonntagmorgen erhielt er einen Anruf von seiner Familie in Syrien, in dem sie ihm von dem Umsturz berichteten. Zunächst war Cheikhi skeptisch und fragte sich, warum dies nicht schon früher geschehen sei. Er äußerte zudem, dass die Brutalität in den Gefängnissen Assads ihn schockiert hat und dass das Leben unter Assad für Kurden und andere Gruppen von Unterdrückung und ständiger Angst geprägt war.
Chemisituation und Reaktionen
Die aktuelle Lage in Syrien bleibt angespannt, da Unsicherheiten über mögliche Angriffe von Rebellen bestehen. Cheikhi beschreibt die Lebensbedingungen in Syrien als unverändert schlecht, geprägt von chronischem Mangel an Strom und Wasser. Trotz der angespannten Situation in seiner Heimat hat er in Deutschland relativ schnell Fuß gefasst, die Sprache gelernt und eine Ausbildung begonnen. Eine Rückkehr nach Syrien erscheint ihm derzeit undenkbar, da er Angst vor Verhaftung hat.
Cheikhi hat auch von den Feierlichkeiten seiner Landsleute gehört, die den Sturz Assads mit dem Niederreißen von Statuen feierten. Dennoch empfindet er keine Freude über die Wende, denn die ungewisse Zukunft bereitet ihm Sorge. Auch Hussein Maamo, ein Vertreter der syrischen Kurden, äußerte Bedenken über die Angriffe auf kurdische Gebiete, insbesondere angesichts der brutalen Übergangszeit, die auf den Sturz folgen könnte.
Die humanitäre Lage, insbesondere in kurdischen Regionen, ist weiterhin dramatisch. In den letzten Jahren haben die Kurden unter Gewalt, Vertreibung und ethnischen Säuberungen gelitten. Cheikhi machte deutlich, dass Winsen für ihn seine jetzige Heimat darstellt und sein größter Wunsch ist, einen deutschen Pass zu erhalten, um seine Familie besuchen zu können. Er hofft auf Frieden in Syrien und eine Verbesserung der Lebensbedingungen für die Bevölkerung.
Die Entwicklungen in Syrien haben auch weitreichende geopolitische Implikationen. Die Türkei wird als dominierender Akteur in der Region gesehen, mit einer anti-kurdischen Agenda, während sich die USA und Russland von Assad distanziert haben. Die humanitäre Lage in Rojava ist katastrophal, während es erste Anzeichen für eine Deeskalation zwischen HTS und Rojava gibt, die mögliche Verhandlungen über zukünftige Beziehungen einschließen könnten, wie bereits berichtet wurde.
In dieser spannenden und unsicheren Zeit bleibt zu hoffen, dass die Menschen in Syrien endlich Frieden und bessere Lebensbedingungen erfahren können.
Weitere Informationen über den Umsturz und seine Implikationen können bei Landeszeitung und Jacobin gefunden werden.