
In Osnabrück wird das Thema der Bebauung in den sogenannten „Grünen Fingern“ intensiv diskutiert. Diese naturnahen Freiflächen, die die Innenstadt mit der offenen Landschaft verbinden, erweisen sich als essenziell für die Förderung der Biodiversität, das Stadtklima und die Naherholung. Aktuell rückt ein Teil des Grünen Fingers, der „Röthebach/Belmer Bach“, in den Mittelpunkt, da hier der Bau eines „Förderschulcampus Friedensweg“ für die Montessori- und Anne-Frank-Schule geplant ist. Dieser Bau wurde von den Parteien Grüne, SPD, CDU und Volt im Rat beschlossen.
Die Bedeutung der Grünen Finger wurde durch ein Forschungsprojekt der Hochschule Osnabrück von 2018 bis 2021 hervorgehoben, das ihren ökologischen und sozialen Wert bestätigen konnte. Ein Ratsbeschluss aus dem Jahr 2022 bezeichnet diese Freiräume als identitätsstiftend und von herausragender Bedeutung. Im Rahmen des Integrierten Stadtentwicklungsprogramms (Step) wurden die Grünen Finger 2024 räumlich definiert, wobei betont wurde, dass Osnabrück „vom Freiraum her gedacht werden“ soll. Trotz dieser anerkannten Bedeutung hat das Umweltforum Osnabrücker Land den geplanten Bau als widersinnig kritisiert, da er sich in einem Kaltluftentstehungsgebiet befindet. Zudem hat sich ein Kampagnenbündnis gebildet, das einen Planungs- und Baustopp fordert.
Baupläne und Umweltschutz
Die Stadt Osnabrück verteidigt jedoch die Pläne und betont die herausragende Bedeutung der Grünen Finger für die städtebauliche Planung. Zwar gab es im Step eine Neuabgrenzung dieser Flächen zugunsten der Siedlungsentwicklung, doch schließt diese die Berücksichtigung des Natur- und Freiraumschutzes nicht aus. Der Röthebach soll zudem reaktiviert und renaturiert werden, um die ökologischen Funktionen aufrechtzuerhalten. In der ursprünglichen Planung war eine dichte Wohnbebauung angedacht, die auf Druck der Grünen jedoch verworfen wurde. Eine Machbarkeitsstudie untersucht nun die schonende Nutzung einer Teilfläche für den neuen Förderschulcampus.
Insgesamt stehen 100 Hektar Bauflächen in den Grünen Fingern nicht mehr zur Diskussion, lediglich 15 Hektar werden für den Förderschulcampus eingeplant. Die Ausgleichsmaßnahmen, die von Landschaftsplaner Hubertus von Dressler positiv bewertet werden, stoßen auf Kritik, da die Nichtumsetzung der Grünen-Finger-Charta als problematisch angesehen wird. Des Weiteren sieht das Entwicklungskonzept die Schaffung einer Schwammzone als Pufferfläche für Starkregen vor, jedoch wird die Chance zur klimaresilienten Entwicklung als vertan angesehen.
Parallel zu diesen Entwicklungen läuft in Osnabrück ein Forschungsprojekt mit dem Titel „PRODUKTIV. NACHHALTIG. LEBENDIG. GRÜNE FINGER FÜR EINE KLIMARESILIENTE STADT“. Ziel dieses Projekts ist es, das Bewusstsein für die Bedeutung der Grünen Finger zu schärfen und Maßnahmen zur Stärkung zu entwickeln. Die Grünen Finger fungieren dabei als radial angeordnete Freiräume, die die Stadt mit der umgebenden Landschaft verbinden und tragen zur Kühlung der Siedlungsbereiche, Rückhaltung von Wasser und zur Speicherung von Kohlenstoff bei. Zudem bieten sie Lebensräume für Tiere und Pflanzen sowie Möglichkeiten zur Naherholung und Bewegungskultur.
Die zunehmende Urbanisierung stellt jedoch eine Bedrohung dar, da landwirtschaftliche Flächen für Wohn- und Gewerbegebiete beansprucht werden. In diesem Zusammenhang wird ein transdisziplinärer Ansatz verfolgt, der die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Politik, Stadtverwaltung, Flächeneigentümern und der Öffentlichkeit betont. Zentrale Forschungsfragen des Projekts betreffen die notwendigen Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung landschaftlicher Qualitäten sowie die Identifikation von Bereichen mit hoher Dichte an Freiraumfunktionen. Neue Grüne Finger wie Ziegenbrink und Sandforter Bach wurden identifiziert, und es wurden acht Leitsätze zur Entwicklung dieser Freiflächen definiert.
In einigen Pilotprojekten, darunter Schwammbereiche im Sandbachtal und der Röthebach sowie eine Radroute der Osnabrücker Agrarkultur, sollen die Ergebnisse des Forschungsprojekts in das Integrierte Stadtentwicklungsprogramm (STEP) einfließen. Es bestehen jedoch Bedenken hinsichtlich möglicher Verzögerungen und einer Verwässerung des Schutzes der Grünen Finger, weshalb weiterhin eine Priorität für das Gemeinwohl und den Schutz der Lebensgrundlagen gefordert wird, wie Umweltforum Osnabrück berichtete.