
Die gegenwärtige Diskussion über den Krankenstand in Deutschland sorgt für Aufregung unter Unternehmen und Arbeitnehmern. Der Allianz-Chef Oliver Bäte fordert die Wiedereinführung eines Karenztages, an dem Arbeitnehmer im Krankheitsfall kein Gehalt erhalten. Diese Maßnahme wird von verschiedenen Seiten sowohl befürwortet als auch abgelehnt. Bäte argumentiert, dass eine solche Regelung die Arbeitgeber erheblich entlasten und jährlich bis zu 40 Milliarden Euro einsparen könnte.
In Deutschland erhalten Arbeitnehmer, die krankgeschrieben sind, derzeit ab dem ersten Tag ihr Gehalt. Der Krankenstand hat seit der Corona-Pandemie besonders in Schleswig-Holstein zugenommen. Die AOK Nordwest berichtet, dass Versicherte im Durchschnitt 21,6 Tage im Jahr 2024 krankgeschrieben waren. Dies liegt über dem Bundesdurchschnitt, wo Arbeitnehmer im Schnitt 20 Tage pro Jahr ausfallen. Für Schleswig-Holstein wurde eine durchschnittliche Zahl von 23,3 Fehltagen festgestellt, was das dritte Jahr in Folge ein Rekordhoch darstellt.
Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen und Reaktionen
Der Techniker Krankenkasse (TK) zufolge liegt der bundesweite Schnitt der Fehltage bei 17,7 Tagen. Die Gründe für den hohen Krankenstand werden unter anderem in Infektwellen, Impfmüdigkeit und dem zunehmenden Alter der Beschäftigten gesehen. Michael Stolpe vom Institut für Weltwirtschaft äußert sich kritisch zur Idee eines Karenztages und schlägt stattdessen vor, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, um die Gesundheit der Arbeitnehmer zu fördern.
Negative Reaktionen kommen insbesondere von Gewerkschaften. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisiert den Vorschlag als ungerecht und warnt vor dem sogenannten „Präsentismus“, also dem Erscheinungsbild von Arbeitnehmern bei der Arbeit trotz gesundheitlicher Einschränkungen. Die IG Metall bezeichnet die Anregung als unverschämt, da sie die soziale Sicherheit der Beschäftigten angreife.
Die politisch gemischten Reaktionen auf die Debatte über Karenztage spiegeln die Komplexität des Themas wider. Während einige Politiker offen für Diskussionen sind, lehnen andere den Vorschlag entschieden ab. Jens Kuschel von der AOK Nordwest sieht keinen Zusammenhang zwischen der telefonischen Krankmeldung, die während der Pandemie eingeführt wurde, und dem hohen Krankenstand. Außerdem berichtet Jens Lassen vom Hausärzteverband Schleswig-Holstein, dass die Einführung einer elektronischen Krankschreibung möglicherweise den Anstieg der Krankmeldungen beeinflusst hat.
Insgesamt bleibt abzuwarten, wie sich die Diskussion über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall entwickeln wird und welche Lösungen gefunden werden, um den anhaltend hohen Krankenstand in Deutschland zu adressieren.