
Christa Seibert, eine blinde Frau aus Bad Segeberg, hat kürzlich die Vorteile von Braille-Schrift-Etiketten auf ihrer Mülltonne entdeckt. Diese Initiative, die vom Wege-Zweckverband (WZV) ins Leben gerufen wurde, möchte blinden und sehbehinderten Menschen im Alltag mehr Orientierung bieten. Seibert, die auf einem Auge nur eine Sehkraft von 1% hat und auf dem anderen blind ist, äußerte sich zusammen mit Dr. Jürgen Trinkus, dem Vorsitzenden des Blinden- und Sehbehindertenvereins Schleswig-Holstein (BSVSH), kritisch über die nach wie vor bestehende mangelhafte Barrierefreiheit im Alltag. Insbesondere bemängeln sie, dass viele Medikamentenpackungen nicht vollständig mit Braille-Schrift versehen sind, wobei oft das Haltbarkeitsdatum fehlt. In der Region Segeberg leben mehrere Hundert blinde und viele stark sehbehinderte Menschen, für die diese Maßnahmen von großer Bedeutung sind.
Um den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden, bietet der WZV kostenlose Braille-Etiketten für Mülltonnen an. Diese können telefonisch oder per E-Mail angefordert werden, und die Etiketten werden auf Wunsch an der Tonne angebracht. Der Geschäftsführer des BSVSH, Dr. Jürgen Trinkus, hofft auf Nachahmer für diese Initiative, um mehr Menschen zu motivieren, Braille zu lernen. Gleichzeitig stehen die Müllentsorgungskosten unter Druck, bedingt durch die CO₂-Steuer und andere Faktoren. Beispielhafte Preiserhöhungen für die Abfallentsorgung sind für die Leerung der 120 Liter-Bioabfalltonne um 17 Cent und für die Restabfalltonne um 51 Cent zu verzeichnen. Im Rahmen der neuen EU-Richtlinie dürfen seit dem 1. Januar verschmutzte Kleidung und alte Gebrauchstextilien nicht mehr über die Restmülltonne, sondern müssen in speziellen Containern entsorgt werden. Eine neue gelbe Wertstofftonne wird ab Herbst 2026 eingeführt, um Verpackungen aus Plastik, Metall und Verbundstoffen zu sammeln, jedoch ist mit Kosten für die Nutzer zu rechnen.
Hürden im Alltag für Blinde und Sehbehinderte
Trotz der zunehmenden Verbreitung der Brailleschrift in Deutschland bleibt noch viel zu tun, um die Lebensqualität für blinde und sehbehinderte Menschen zu verbessern. Andreas Bethke, Geschäftsführer des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, weist darauf hin, dass viele Hürden im Alltag bestehen, die es zu überwinden gilt. Berichte über Schwierigkeiten, die beispielsweise bei der Orientierung in Restaurants auftreten, verdeutlichen die Notwendigkeit von Braille-Beschriftungen an Türen und Automaten.
Obwohl die Brailleschrift vor 200 Jahren von Louis Braille entwickelt wurde, finden blinde Menschen häufig keine entsprechenden Beschriftungen in Hotels, bei Kaffeemaschinen oder Selbstbedienungskassen. In den Zügen der Deutschen Bahn sind zwar Platznummern in Braille vorhanden, doch ist der Bedarf in anderen Bereichen sehr hoch. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland etwa 20.000 Menschen in der Lage sind, Braille zu lesen. Leider wird Braille meist nur im Biologieunterricht der Grundschule behandelt, während es an qualifizierten Blindenlehrkräften mangelt, wodurch die Verbreitung und das Erlernen von Braille erschwert werden. Dabei könnte auch älteren Menschen das Braille-Lernen erleichtert werden, denn gerade im höheren Alter sind Augenkrankheiten wie der Grüne Star weit verbreitet.