Missbrauchsaffäre in Obernjesa: Kirche räumt Kommunikationsfehler ein

Im Göttinger Kinderheim Obernjesa wurden in den 1950er-Jahren schwere Missbrauchsvorwürfe gegen Pastoren erhoben. Die Landeskirche reagiert jetzt.
Im Göttinger Kinderheim Obernjesa wurden in den 1950er-Jahren schwere Missbrauchsvorwürfe gegen Pastoren erhoben. Die Landeskirche reagiert jetzt. (Symbolbild/MND)

Missbrauchsaffäre in Obernjesa: Kirche räumt Kommunikationsfehler ein

Obernjesa, Deutschland - Im beschaulichen Obernjesa, einem ehemaligen Kinderheim der Evangelischen Jugendhilfe, gibt es dunkle Schatten aus der Vergangenheit. In den 1950er-Jahren kam es dort zu schwersten sexuellen Übergriffen, den ersten Vorwürfen zufolge. So erhoben Betroffene im Jahr 2012 Anschuldigungen gegen das mittlerweile verstorbene Pastoren-Ehepaar Hermann und Margarete Grüneklee. Doch der zuständige Kirchenkreis Göttingen-Münden wurde erst mehr als ein Jahrzehnt später über diese schweren Vorwürfe informiert. In einer Stellungnahme der Göttinger Tageblatt wird darauf hingewiesen, dass die Landeskirche Hannovers Fehler in der Kommunikation eingeräumt hat. Ein tragischer Umstand, der die betroffenen Personen zusätzlich schmerzen könnte.

Die Situation eskalierte weiter, als entdeckt wurde, dass die verantwortlichen Kirchenvertreter in Göttingen nicht über Geldzahlungen an ehemalige Heimkinder informiert waren. Solche Zahlungen gab es tatsächlich, nachdem eine unabhängige Kommission der Landeskirche die Vorwürfe als plausibel eingestuft hatte. Allein diese Tatsache spricht Bände über das jahrelange Schweigen und die Intransparenz zu Ungunsten der Opfer.

Anhaltende Besorgnis um aktuelle Missbrauchsvorwürfe

Doch die Missbrauchsvorwürfe schwelen nicht nur aus der Vergangenheit. Ein aktueller Fall betrifft einen Pastor, der trotz laufender Ermittlungen und schwerer Vorwürfe weiter beschäftigt bleiben muss. Nach Angaben der Landeskirche Hannover hatte der zuständige Rechtshof entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Rücknahme seiner Ernennung nicht erfüllt waren. Ein Vorwurf stammte aus dem Jahr 2004, als eine damals 15-jährige Person sexuelle Belästigung erfahren hatte. Zu dieser Zeit war der Pastor jedoch nicht bei der Landeskirche beschäftigt, was die Situation verkompliziert.

Die Ansichten über die Rechtslage wurden klar: Der Vorsitzende Richter bezeichnete die Vorfälle als sexuelle Belästigung, welche aber erst seit 2016 strafbar ist. Ein Umstand, der die Gerichte vor eine Herausforderung stellte. Jens Lehmann, Präsident des Landeskirchenamtes, äußerte, dass die Kirche das Urteil zunächst abwarten will, bevor sie über mögliche Rechtsmittel gegen den Pastor nachdenkt. Die Untersagung, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, bleibt indes bestehen, was wohl auch für die betroffenen Eltern eine kleine Erleichterung darstellt.

Aufarbeitung der Symptome von Missbrauch

Die Schicksale der Missbrauchsopfer sind nicht nur eine tragische Fußnote in der Geschichte der Kirche; sie werfen auch bedeutende Fragen über die Systeme auf, die den Übergriffen über Jahrzehnte hinweg Schutz boten. In diesem Zusammenhang spielt die Aufarbeitung von sexueller Gewalt eine zentrale Rolle. Experten betonen, dass es drei Formen der Aufarbeitung gibt: individuelle, institutionelle und gesellschaftliche. Erste ist darauf ausgerichtet, dass Betroffene mit ihrem Erlebten umgehen und es bewältigen können. Die institutionelle Aufarbeitung befasst sich hingegen mit den strukturellen Mängeln, die einen geschützten Raum für Täter geschaffen haben.

Die Landeskirche hat zumindest angekündigt, ein Verfahren zur Aufarbeitung der Vorgänge in Obernjesa einzuleiten. Gespräche mit dem Kirchenkreis Göttingen sowie der Evangelischen Jugendhilfe sollen bald stattfinden. Ziel ist es, auch weitere betroffene Personen zu ermutigen, sich zu äußern. Ein wichtiger Schritt, um den Opfern Gehör zu verschaffen und gleichsam das Vertrauen in die institutionelle Aufarbeitung zu fördern. Dies ist besonders entscheidend, wenn man die Geschichte betrachtet: Klaus Grüneklee, der Sohn des beschuldigten Pastors, hat sich in der Vergangenheit aktiv bemüht, Informationen über die Namen der Betroffenen zu erhalten und drohte sogar mit juristischen Schritten. Ein Umstand, der die ohnehin verletzlichen Betroffenen zusätzlich unter Druck setzt.

Die Aufarbeitung der Missbrauchsvorfälle bleibt somit ein herausforderndes Unterfangen, das nicht nur die betroffenen Personen betrifft, sondern auch die gesamte Institution der Kirche und deren Umgang mit der Vergangenheit. Der Weg zur Heilung und Gerechtigkeit ist lang, aber er ist nötig, um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und zukünftiges Unrecht zu verhindern.

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OrtObernjesa, Deutschland
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