Ärzte in Schleswig-Holstein: Tausende unbezahlte Überstunden gefordert!

Der Marburger Bund kritisiert das UKSH für mangelhafte Arbeitszeiterfassung und fordert notwendige Reformen für Ärzte.
Der Marburger Bund kritisiert das UKSH für mangelhafte Arbeitszeiterfassung und fordert notwendige Reformen für Ärzte. (Symbolbild/MND)

Ärzte in Schleswig-Holstein: Tausende unbezahlte Überstunden gefordert!

Kiel, Deutschland - Im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel und Lübeck stehen die Arbeitsbedingungen von Ärztinnen und Ärzten aktuell in der Kritik. Der Marburger Bund erhebt aus diesem Grund schwere Vorwürfe. So fehle es dem Klinikum an einem manipulationssicheren System zur Arbeitszeiterfassung, was als „Rechtsbruch mit System“ bezeichnet wird. Michael Wessendorf, der Vorsitzende des Marburger Bundes Schleswig-Holstein, macht sich stark für bessere Bedingungen für die angestellten und beamteten Mediziner.

Die derzeitige Arbeitszeiterfassung erfolgt digital über Dienstplanprogramme oder manuell, was seit Januar 2025 laut Tarifvertrag nicht mehr zulässig ist. Eine Umfrage des Marburger Bundes zeigt alarmierende Zahlen: Wöchentlich werden zehntausende Überstunden nicht anerkannt oder vergütet. Ungefähr zwei Drittel der Ärztinnen und Ärzte müssen ihre Überstunden genehmigen lassen, was oft nicht erfolgreich ist. Dabei berichten fast die Hälfte von unzureichend erfassten Stunden, was auf bis zu 500 unbezahlte Stunden pro Jahr hinarbeitet.

Arbeitszeiterfassung im Mittelpunkt der Kritik

Partielle Gegenwehr kommt vom UKSH selbst, das die Vorwürfe zurückweist. Der Klinikbetreiber betont, dass es nicht notwendig sei, eine klassische Stechuhr zu implementieren. Tatsächlich seien auch andere digitale Verfahren wie Apps oder Tabellen zulässig. Über das Dokumentationssystem „SP-Expert“, das nach eigenen Angaben die tariflichen Anforderungen erfüllt, sollen Ärztinnen und Ärzte in der Lage sein, ihre Mehrarbeit selbstständig zu erfassen. Zudem verweist das Klinikum auf eine Dienstvereinbarung mit den Personalräten und hebt hervor, die Mitarbeitenden zu schützen.

Ein dringliches Anliegen des Marburger Bundes bleibt jedoch die Einführung elektronischer Zeiterfassungsterminals. Ab 2026 wird eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden vorgeschrieben, was eine lückenlose Erfassung unabdingbar macht. Der Ärzteverband fordert daher auch eine Lohnerhöhung von 15 Prozent, um den zusätzlichen Herausforderungen gerecht zu werden.

Umfrage zur Arbeitszeiterfassung

Eine umfassende Umfrage, die zwischen dem 31. März und dem 23. April 2025 unter rund 3.500 Ärztinnen und Ärzten an landeseigenen Universitätskliniken durchgeführt wurde, liefert weitere interessante Einblicke. Nur jeder sechste Befragte arbeitet unter vertragskonformer Zeiterfassung. Ein alarmierendes Ergebnis sind 83 Prozent der Befragten, die angeben, dass ihnen eine manipulationssichere, elektronische Zeiterfassung gemäß Tarifvertrag nicht zur Verfügung steht. Dabei geben 62 Prozent an, ihre Arbeitszeit digital zu dokumentieren, während 17 Prozent manuell arbeiten – ein Relikt aus der Vergangenheit.

Zusätzlich zeigt die Umfrage, dass der Druck, Überstunden nicht zu dokumentieren, groß ist. Mehr als ein Viertel der Befragten besagt, dass es als selbstverständlich gilt, Überstunden nicht zur Genehmigung vorzulegen. Dreiviertel der Ärzte müssen ihre Überstunden genehmigen lassen, aber 44 Prozent berichten von nicht anerkannten Stunden, trotz Meldung an die Vorgesetzten.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Ein entscheidendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 verpflichtet alle EU-Mitgliedstaaten zur Einführung eines verlässlichen Systems zur Messung der täglichen Arbeitszeit. Laut dem Ärzteblatt soll damit sichergestellt werden, dass das europäische Grundrecht auf Begrenzung der Höchstarbeitszeit respektiert wird. Der EuGH macht dabei deutlich, dass gerade in der Krankenhauslandschaft ein umfassendes Zeiterfassungssystem unverzichtbar ist, da die natürliche Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit oft nicht gegeben ist.

Die Zeit drängt. Die Kliniken stehen vor der Herausforderung, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter zu erfassen, um den gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden. Es bleibt abzuwarten, ob das UKSH und ähnliche Einrichtungen ihre Arbeitsprozesse anpassen werden, um den für die Ärzte so wichtigen Schutz ihrer Arbeitszeiten endlich zu gewährleisten.

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OrtKiel, Deutschland
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