Lüneburg gedenkt NS-Opfern: Neue Ausstellung enthüllt schockierende Schicksale
Die Gedenkstätte in Lüneburg erinnert an die Opfer der NS-Euthanasie, zeigt Lebensgeschichten und fördert die Aufarbeitung.

Lüneburg gedenkt NS-Opfern: Neue Ausstellung enthüllt schockierende Schicksale
In einer berührenden Gedenkstätte in Lüneburg wird dem Leid der NS-Opfer nun ein Gesicht gegeben. Die Dauerausstellung mit dem Titel „Lebenswert“ erinnert an Hunderttausende von Menschen, die unter dem brutal regierenden Regime schrecklichem Unrecht ausgesetzt waren. Die Gedenkstätte, die im ehemaligen Wasserturm untergebracht ist, beleuchtet die Lebensgeschichten vieler Geplagter. Über einen Zeitraum von drei Jahren wurden Lebensgeschichten recherchiert und zusammengestellt, um die Opfer angemessen zu würdigen. Besonders erschütternd ist die Tatsache, dass hier in Lüneburg 440 Kinder und Jugendliche sowie etwa 300 ausländische Menschen Opfer der Euthanasie-Morde wurden, wie die Borkener Zeitung berichtet.
Die dunkle Geschichte, die mit dem Euthanasieprogramm beginnt, das ab 1939 unter dem Regime der Nationalsozialisten systematisch durchgeführt wurde, ist ein zentraler Bestandteil der Ausstellung. Menschen mit Behinderungen wurden als “lebensunwert” betrachtet und wurden oft schon ab der Geburt und bis ins Jugendalter gezielt ermordet. In einem geheimen Kinder-Euthanasieprogramm, das im Frühjahr 1939 in Kraft trat, wurden Eltern gedrängt, ihre Kinder in Kliniken zu bringen, die sich als Tötungsanstalten entpuppten. Historiker schätzen, dass mindestens 10.000 Kinder durch dieses Programm ums Leben kamen. Ab Januar 1940 wurden auch Erwachsene unter dem Deckmantel der Aktion T4 Opfer dieser Gräueltaten, die zu mindestens 250.000 Toten führten, wie die US Holocaust Memorial Museum verdeutlicht.
Ein umfassendes Bild der Schreckenszeit
Die Ausstellung hat zudem aktiven Suchaufrufe nach den Familien der Psychiatrie-Patienten initiiert. Bislang gab es Rückmeldungen von etwa 350 Erwachsenen und Kindern, deren Familienmitglieder von den Verbrechen betroffen waren. Die Erinnerungsarbeit, so die Veranstalter, ist von enormer Wichtigkeit, um den Opfern Gerechtigkeit zu verschaffen und ihre Schicksale im Gedächtnis zu behalten. Die Gedenkstätte nennt namentlich alle bekannten Opfer und bietet Informationen in mehreren Sprachen, darunter auch Englisch und Polnisch, sowie in leichter Sprache und als Audiofassung an.
Ein besonders tragischer Teil der Erforschung ist die Tatsache, dass in Lüneburg 75 Skelette von Erwachsenen und vier von ermordeten Kindern in der Kriegsgräberstätte fehlen. Eine Machbarkeitsstudie zur Suche nach den sterblichen Überresten soll im September beginnen. Diese Thematik wird durch die düstere Erinnerung an die Gewalt in psychiatrischen Einrichtungen unterstrichen, die bis ins Jahr 1947 andauerte. Die Bundeszentrale für politische Bildung hebt hervor, dass dieser Prozess an den systematischen Euthanasieaktionen der Nazis und den methods, wie Injektionen und Kohlenmonoxidgas in Gaskammern, gekoppelt war.
Ein Blick in die Vergangenheit
Besonders eindringlich ist das Zitat eines Arztes aus Lüneburg aus der Zeit des Nationalsozialismus: „Leistet nichts. Zu schwach. Nicht einsatzfähig.“ Dieses erschreckende Urteil verdeutlicht die menschenverachtende Denkweise der damaligen Medizin und Gesellschaft. Während die Ausstellung über die furchtbaren Ereignisse aufklärt, ist sie auch ein dringlicher Appell, dass sich so etwas nie wiederholt.
Insgesamt wurden rund 2.000 Patienten aus dem Städtischen Krankenhaus Lüneburg ermordet, wozu auch 479 Opfer der Aktion T4 gehören. Bis heute hat die Aufarbeitung der Geschehnisse zum Teil große Lücken, sodass das Leiden der Betroffenen häufig nicht ausreichend thematisiert wird. Die Lüneburger Gedenkstätte leistet hier einen wichtigen Beitrag, um sowohl die individuellen Schicksale als auch die gesamtgesellschaftlichen Verfehlungen in das Bewusstsein der heutigen Generation zu rücken.